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  • KUNST ODER KLANG?

    In dem weiten, dreiseitig geschlossenen großen Ausstellungsraum des Marburger Kunstvereins befindet sich die Titelarbeit: Breathing Space, 2015: 5400 Kalottenlautsprecher, 8-Kanal Audio, Litze. Betritt man den Raum in einer der stillen Pausen, ergeben sich zwei Verortungen: Aus den Nachbarräumen erklingen aus der Ferne die anderen,  zeitlich abgestimmten Arbeiten von Clara Oppel. Hier, an dem Hauptort, sind es zunächst die eigenen Schritte, die in dem resonanten Gehäuse verhallen. Ein ruhig geschwungenes Objekt erhebt sich leicht von dem schwarzen Steinboden. Ein silbriger Spiegelglanz von 5400 Lautsprecherkalotten mit ihren schwarzen Membranen beschreibt schimmernd einen ruhigen, geordneten wie ebenso rätselhaften Verlauf – gleich einem zahlenähnlichen Zeichen im Raum. 

  • Innere und äußere Räume

    Anmerkungen zu Clara Oppels Klangkunst Text: Florian NeunerÜbersetzung: Keith David Harris Wie klingt Kunst? Nun, meistens gar nicht. Die traditionelle Malerei und Bildhauerei kennt keine Tonspur. In den Tempeln der Kunst war es bis vor kurzem still, oft sogar andächtig still, und allfällige Geräusche hatten Quellen, die außerhalb der Kunstwerke gesucht werden mussten. Sie waren…

  • Clara Oppel: Breathing Space– Ausstellungseröffnung Marburger Kunstverein, 2015

    „Wie kannst du Freude haben an einer Welt, die du nicht siehst, wenn du die Augen schließt?“ (Fariduddin Attar)

    Schließen Sie also die Augen, meine Damen und Herren, und sehen Sie, nein: hören Sie, wie sich Tausend Vögel erheben. Sie durchfliegen die Täler der Leiden und Leidenschaften. Begierde, Liebe, Wissen, Enthaltsamkeit, Einheit, Bestürzung, Auflösung. Nur dreißig Vögel schaffen es bis ans Ende der Welt zu den Bergen, die sie umgeben, dort, wo der weise Vogelkönig lebt, ein Wiedehopf mit Namen Simorgh. „Si morgh“ – das bedeutet: „dreißig Vögel“. An ihrem Ziel angekommen, erkennen die Vögel, dass sie sich selbst gesucht und gefunden haben.

  • Eines Schattens Traum sind Menschen

    aus Pindar: Achte Pythische Ode
    An diesem Satz kann man vergehen, will man ihn verstehen. Er entstammt der Odensammlung Epikinae des griechischen Dichters Pindar aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert, der Chorlyrik  für die Sieger der Olympischen Spiele verfasste. Sie war als Kantate, also musisch und inszeniert gedacht, und hinterfragte die Bedeutung eines Sieges bezüglich der Dauer und Gestalt eines Menschenlebens, das durch einen ersten und einen letzten Atemzug in seiner irdischen Form begrenzt und geformt wird. Und er bildet das sprachliche Klangmaterial für Clara Oppels Breathing Space, das 5400 Lautsprecher auf dem Boden zu einem geschwungenen Zeichen verdichtet, aus dem Klänge aufsteigen, sich an den Wänden fortbewegen und überlagern und je nach Position des Hörers zu Assoziationen und Gesprächen formieren.